Der Schatz des Feedbacks

Der Schatz des Feedbacks

Neulich in Moskau
Am Ausgang der Kantine blinkten drei Smileys und luden zu einem schnellen Feedback ein. Mein russischer Kollege machte mich darauf mit der Bemerkung aufmerksam, er würde ab und zu den traurigen Smiley anklicken, damit die Mitarbeiter der Kantine sich auf ihren Erfolgen nicht zu sehr ausruhen …

Diesen Umgang mit Feedback musste ich erst verarbeiten – ich habe keinen Button gedrückt.

Seitdem fällt mir auf, wie oft wir um unsere Rückmeldung gebeten werden: nach dem Besuch von Restaurants, nach einem Aufenthalt in einem Hotel, bei einem Einkauf bei ebay….

Wie sieht es mit dem Feedback in unserem beruflichen Leben aus? Wie oft bekommen wir Rückmeldung über unsere Leistung, unser Verhalten? Wie oft machen wir uns die Mühe, anderen ein Feedback zu geben? Wie oft zeigen wir einem anderen Menschen mit einem „Danke schön“, einem „Das hat mir jetzt geholfen“, welch positive Wirkung sein Verhalten auf uns hat?

Die allermeisten von uns haben die Erfahrung gemacht, dass Feedback ein seltenes Gut in unserer Kultur ist. Und wenn Rückmeldung, dann in einer Form, in der wir für unser Verhalten lächerlich gemacht, kritisiert oder beschimpft werden. Unvergessen bleibt mir die Replik eines Lehrers vor der gesamten Schulklasse, ich sei eine geografische Wildsau, das mit großem Gejohle von meinen Mitschülern quittiert wurde. Mein Verhältnis zur Geografie ist seitdem nachhaltig gestört.

Positive, wohlwollende Rückmeldung, die uns in unseren Entwicklungsbemühungen bestärken, unser Selbstbild weiter entwickeln würde, sind so selten wie kostbare Edelsteine.

Was haben wir aus solchen Erfahrungen gelernt? Wir vermeiden es, Rückmeldung zu geben, weil wir andere nicht verletzen wollen, weil wir darin nicht geübt sind, weil es zeitaufwendig ist, qualitativ wertvolles Feedback zu geben, ist, weil wir andere nicht vor den Kopf stoßen wollen, wir nicht schleimen oder heuchlerisch sein wollen… Wir fragen andere nicht nach Feedback, zu schmerzvoll sind die Erfahrungen. Teilnehmer in meinen Trainings berichten immer wieder, wie enttäuscht sie von den oft oberflächlichen Feedbacks ihrer Vorgesetzten sind, die sie sich aktiv eingeholt haben: „Sie wissen doch, was ich von Ihnen halte…“, „Sie machen Ihre Sache gut“, „Ganz sicher haben Sie Potential“.

Wer das nicht glauben mag, schaue sich folgendes Video an:

Feedback: Fakten auf den Tisch (YouTube)

Eine solche Kultur berücksichtigt nicht unser Bedürfnis zu erfahren, welchen Eindruck hinterlasse ich bei anderen, welche Wirkung erziele ich mit meinem Tun, was schätzen andere an mir, wo kann ich mich verbessern, mich weiterentwickeln? Welche Erwartungen werden an mein Verhalten in einer bestimmten Situation gestellt?

Fragen, die besonders wichtig sind in Zeiten der Veränderung, der Transformation. Unsere Arbeitswelt verändert sich dramatisch. Neue Technologien fördern neue Formen der Zusammenarbeit. Die Generation, die jetzt neu ins Berufsleben einsteigen, verfügen über Kenntnisse und Fertigkeiten, die den vorhergehenden fehlen. Diese Generation hat andere Erwartungen an die Berufswelt, als die Generationen davor. An dieser Schnittstelle ist gutes Feedback unabdingbar.

Über unsere berufliche Zukunft wird in vielen verschiedenen Szenarien spekuliert – Berufswelten werden entworfen, von denen keiner sicher weiß, ob und wann sie Realität werden.

Bei so viel Unsicherheit steigt das Bedürfnis zu wissen, wo ich stehe.

In meinen Veranstaltungen stelle ich fest, dass sich die Teilnehmer im Laufe ihres beruflichen Lebens im Rahmen von Trainings, Seminaren oder Workshops die „goldenen“ Regeln des Feedbacks vertraut gemacht haben. Meistens gibt es bei diesen Veranstaltungen Feedbackrunden – zu zweit oder zu dritt. Am Ende einer solchen Runde sind die Teilnehmer oft beglückt, fühlen sich bereichert und schätzen die Wirkung.

Was heißt das für den Berufsalltag?

·        Feedback ist nicht Bestandteil der beruflichen Routine. In den meisten Unternehmen gibt es jährliche Mitarbeitergespräche, in denen man über die Leistung des Mitarbeiters im vergangenen Jahr spricht, über zukünftige Ziele, über Erwartungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Mit welchem Gefühl geht man in ein solches Gespräch? In vielen Fällen mit einem gerüttelten Maß an Beklemmung – sowohl Mitarbeiter, als auch Führungskraft.

Deshalb: Machen Sie Feedback zu einem Bestandteil Ihres Arbeitsalltags. Holen Sie Feedback raus aus der „Gruselecke“.

Möglicherweise ernten Sie beim ersten Mal, wenn Sie nach einer Besprechung Ihre Kollegen fragen, wie sie das Meeting fanden, was gut gelaufen ist, was Sie beim nächsten Mal besser machen könnten, ein paar irritierte Blicke. Na, und?

Wenn Sie durchhalten und nach jeder Besprechung zwei, drei Minuten für Feedback investieren, wird es für alle Beteiligte Teil der Normalität – mit Vorbildwirkung!

·        Für viele von uns ist Feedback gleich Kritik und daher zu vermeiden. In unserem Alltag arbeiten wir mit Personen zusammen, die einen Verantwortungsbereich vertreten, der automatisch konfliktär zu unserem ist: Innendienst – Außendienst, Entwicklung und Produktion, die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Das macht die Zusammenarbeit nicht immer leicht und an Feedback ist hier schon gar nicht zu denken.

Deshalb: Identifizieren Sie eine Person mit einer Verantwortlichkeit, die die Zusammenarbeit nicht leicht macht. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um zu überlegen, was Sie an dieser Person und ihrem Verhalten schätzen. Suchen Sie nach kleinen Dingen mit großer Wirkung. Zum Beispiel pünktliches Erscheinen zu Meetings oder strukturierte Vorgehensweise bei der gemeinsamen Problemlösung. Was würde passieren, wenn Sie dieser Person positives Feedback geben? Wie würde diese Person darauf reagieren? Wie könnte sich das auf Ihre Zusammenarbeit auswirken?

·        Jede Änderung braucht Mut. Und der fehlt uns manchmal. Das Ausprobieren von Neuem, andere Wege gehen, das Verlassen der Komfort Zone – wir gehen dem Risiko einer neuen Erfahrung gerne aus dem Weg und beschweren uns gleichzeitig, dass sich nichts ändert.

Deshalb: Verändern Sie eine kleine Routine in Ihrem Alltag. Gehen Sie einen anderen Weg ins Büro, grüßen Sie einen Ihnen unbekannten Menschen auf der Straße, trinken Sie statt Kaffee eine Tasse Tee – irgendetwas, was keine allzu große Mühe kostet.

Natürlich bin auch ich an Rückmeldung interessiert. An Ihrer! Schreiben Sie mir über Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Feedback, mit den Deshalb-Übungen und über die Feedback-Kultur in Ihrem Unternehmen.

Machen wir uns auf den Weg, machen wir’s anders!